Der Durchbruch kam mit den Nürnberger Prozessen

Die Entwicklung der Technik für das Simultandolmetschen von 1928 bis heute

1 - Technische Details beim Militärtribunal

2 - Entwicklung der Kabinen

3 - Entwicklung der Dolmetschkonsolen

Kurzporträts einiger in Europa/Deutschland bekannter Hersteller

Obwohl die Firma Siemens mit zu den Erfindern der Verwendung der Telefontechnik für das Dolmetschen gehörte und wohl in den 1930er Jahren in Deutschland eine Reihe von internationalen Konferenzen mit dieser Technik ausrüstete, war sie nach dem Krieg fast ausschließlich für fest eingebaute Anlagen in größeren Institutionen präsent. Vor allem die Bundesregierung ließ Siemensanlagen einbauen. Im Bundestag z.B. ist ca. 2015 die Siemensanlage aus 1999 durch eine Produktmischung aus Beyerdynamic und Televic abgelöst worden. Siemens hat sich vor etwa 15/20 Jahren aus der Sparte Konferenz verabschiedet.

Brähler – seit 1958 aktiv. Der Bonner Tontechniker Helmut Brähler stand im engen Austausch mit dem Konferenzdolmetscher Dr. Walter Jumpelt, der die Anforderungen an die Anlagen aus Sicht des Dolmetschenden gut beschreiben konnte. Ihm wird die Entwicklung der Einkabeltechnik bei kabelgebundenen Konferenz- und Simultananlagen sowie der "rote Ring" an Mikrofonen von Diskussionsanlagen zugeschrieben. Letztere zeigen sehr hilfreich per Leuchtmittel, an welchem Mikrofon gerade gesprochen wird.

Televic – seit 1972 mit Konferenztechnik auf dem Markt. Ein belgisches Unternehmen, das lange Jahre mit Sennheiser zum Bau von Konferenztechnik und Dolmetschpulten (Typ ID2500) hatte. Schon früh fand die Technik von Televic in den europäischen Institutionen und der NATO Einzug.

Sony – aktiv in den 80-er und 90-er Jahren, hat sich aber ca. 2000 aus dem europäischen Markt verabschiedet

Shure erwarb 2015 den dänischen Hersteller DIS Danish Interpreter Systems als Einstieg in die Sparte Konferenz- und Dolmetschtechnik. Prototypen von Dolmetschpulten kamen bei den Dolmetschenden von AIIIC und VKD sehr gut an. Mit der Pandemie änderte sich die Firmenstrategie und die Dolmetschtechnik wurde aufgegeben.

Sennheiser hat sein Engagement in der Konferenztechnik (zuletzt Sprechstellen Typ ADN) 2020 ebenfalls eingestellt.

Beyerdynamic – 1924 gegründet für Audiotechnik in Kino und Rundfunk, Schwerpunkt Kopfhörer und Mikrofone. 1962 das weltweit erste drahtlose Mikrofon, 1974 die erste Führungsanlage. 1999/2000 wurden erstmalig stationäre Sender für die neuen Funk-Führungsanlagen TTS300 (zusammen mit PCS) entwickelt, ein ernstzunehmender Konkurrent zu den bislang gebräuchlichen Infrarot-Dolmetschanlagen. 2005 Entwicklung des Dolmetschpultes der Serie SIS, PCS und etwa 100 Dolmetscher:innen aus AIIC und VKD waren hieran beteiligt. 2019 Neue Führungsanlage UNITE für Dolmetschanlagen auf DECT-Basis mit einer großen Bandbreite an Funktionen. 2020 Verkauf der Produktlinie UNITE an Televic, keine weiteren Aktivitäten auf dem Konferenzmarkt.

Bosch – hat 2003 die Sparte Konferenztechnik von Philips übernommen. Details der Entwicklung bei Philips und Bosch:

Außerhalb Europas

Taiden - namhafter und vermutlich größter chinesischer Hersteller von Konferenztechnik. Taiden hat unter anderem in 2014 das UN-Gebäude in New York City komplett mit Konferenz- und Dolmetschtechnik ausgestattet, Highlight hier: das sogenannte Routing (Verschalten) von Dolmetschkabinen auf die verschiedensten Konferenzräume im Haus.
Taiden war neben Televic der erste Hersteller eines neuen Dolmetschpultes nach allerneuster Norm ISO 20109:2017 und überraschte hier mit etlichen hilfreichen Zusatzfunktionen.

Williamsound (jetzt WilliamsAV) – ein US-amerikanischer Hersteller zunächst mit einer Mini-Version eines Dolmetschpultes, das seit 2018 von Sennheiser in einer sogenannten OEM-Version mit verkauft wurde, nicht konform mit den geforderten ISO-Normen. Mittlerweile auch Führungsanlagen, der Schwerpunkt des Unternehmens liegt bei Produkten zum Hören.

3 - Geschichte der Normung der Dolmetschtechnik

Erste Versuche:

Hierzu auch der Artikel von Walter Jumpelt von 1984.

ISO 2603 - Simultaneous interpreting - Permanent booths - Requirements –erschienen 1974

ISO 4043 - Simultaneous interpreting - Mobile booths - Requirements - erschienen 1981

In beide Normen wurde zwar nach bestem Wissen, aber dennoch eher unvollständig/oberflächlich auch Dolmetschtechnik einbezogen. Das führte ca. 2013/14 zu einer Initiative der Europäischen Kommission unter Leitung von Marguerite Lely (ISO/TC 37/SC 5/WG 3 Convenor), flankiert von AIIC und VKD (Klaus Ziegler/Ralf Pfleger etc.), um Abhilfe zu schaffen. Als Hersteller konnten Bosch und Televic für dieses ISO-Committee gewonnen werden, PCS war als Vertreter aller Rental-/Verleihfirmen beteiligt.

Hierbei sollten sich die vorgenannten beiden ISO-Normen ausschließlich auf die Kabinen selbst, nämlich fest verbaute (ISO 2603) oder mobile/transportable (ISO 4043), konzentrieren. Die Technik und deren Spezifikationen wurden herausgenommen und hierfür wurden die folgenden getrennten ISO-Normen festgelegt.

ISO 20109:2017 - Simultaneous interpreting - Equipment Requirements

ISO 20108:2017 - Simultaneous interpreting - audio and video signal requirements

Einzelheiten zu diesem größeren und langjährigen Projekt enthält der Artikel von Jörg Peschka (PCS) und Klaus Ziegler (AIIC) in der Fachpresse.

Weitere neuere oder überarbeitete oder in Arbeit befindliche ISO-Normen sind:

ISO 22259 - Conference Systems/Konferenzsysteme - Ausstattung - Anforderungen

ISO/DIS 17651-1:2023, Simultandolmetschen – Arbeitsumfeld des Dolmetschers – Teil 1:
Anforderungen an und Empfehlungen für ortsfeste Kabinen

ISO/DIS 17651-2:2023, Simultandolmetschen – Arbeitsumfeld des Dolmetschers – Teil 2:
Anforderungen an und Empfehlungen für mobile Kabinen Deutsche und Englische Fassung

ISO/CD 17651-3, Simultaneous interpreting — Interpreters’ working environment — Part 3: Requirements and recommendations for interpreting hubs

DIN 19457, Dolmetschdienstleistungen — Dolmetschen im Gemeinwesen — Anforderungen und Empfehlungen (ISO/DIS 13611:2022, modifiziert)

DIN ISO 20539, Übersetzen, Dolmetschen und zugehörige Technik — Begriffe

ISO/CD 6253 "Requirements for Interpreter Educators and Teaching/Training Programs"

4 - Technische Neuerungen seit den Anfängen & aktuelle Arbeitsbedingungen

Technik

Wie von Sergei Chernov in der Entstehungsgeschichte beschrieben, entstanden die ersten ‚Simultananlagen‘ auf Basis des Telefons. Zug um Zug folgte eine Anpassung an die Erfordernisse für die Verdolmetschung. Die Anlage beim Nürnberger Prozess war noch verkabelt, 1947 wurde in Washington D.C. mit einer drahtlosen Anlage gedolmetscht. Genaueres über die Übertragungsart ist nicht bekannt.

Einzelheiten zu den technischen Neuerungen bei den Geräten und den Übertragungstechniken wurden noch nicht zusammengetragen. Nachfolgend ein kurzer Überblick.

Grob gesagt, war der zeitliche Ablauf wie folgt, wobei die Übergänge sehr fließend sind:

1970/ca 1980         1980/1990     ab 2000
Infrarot/Induktiv - > Infrarot - > Funk/Infrarot

Brähler, Sennheiser und Philips verwendeten in den 80er-Jahren Infrarottechnik.

Parallel dazu gab es von Philips und Sony sogenannte Induktivanlagen.

Ähnlich wie bei der Ansteuerung eines Hörgerätes nutzte man diese Technik auch, um mehrere Sprachen per im Saal verlegter Antennenschleife an spezielle Konferenzempfänger zu übertragen.

Erst mit der Beyerdynamic-Anlage TTS300 aus dem Jahr 1999 wurde eine Funkübertragung mit Hilfe von stationären Sendern modern. Dennoch hat auch die Übertragung mit Infrarottechnik weiterhin Bestand und wird weiter genutzt.

Auch der Übergang von analoger zu digitaler Technik war schleichend und dauert in den unterschiedlichen Bereichen der Konferenztechnik noch an.

1997: Sony digitaler Infrarotempfänger

2000: Philips DCN Konferenzanlage (später Bosch)

2004/2005: Digitale Dolmetschpulte von Beyerdynamic, fast parallel auch von Bosch

2013: Bosch Dicentis, drahtlose Sprechstellen mit Display

2019: Beyerdynamic/Televic: digitaler multifunktionaler Funkempfänger UNITE

Arbeitsbedingungen

Physiological stress during simultaneous interpreting: a comparison of experts and novices, Ingrid Kurz, 2003.

AIIC Conference equipment, 2015.

AIIC Guidelines for distance interpreting, 2020.

 


Quellenangaben
  • Fotos 1-3, Artikel Dostert: National Archives, College Park, MD/USA
  • Foto 4a+b: oldradio.com Copyright 1993-2020, 2021, Barry Mishkind
  • Beschreibung International Filene-Finlay Translator System: IBM Doc B2F6
  • Artikel über drahtloses IBM Simultaneous Interpretation System: Zeitschrift Audio Record Dec 1951 p. 4/5
  • Fotos 8-10, 16: Archiv Brähler Systems GmbH, Königswinter
  • Foto 11: Audipack.com
  • Foto 12: PCS-Konferenztechnik
  • Foto 13: AIIC Archive, Erich Andresimago images United Archives)
  • Foto 14: AIIC Archive
  • Foto 15: Elakustik
  • Foto 17: Sennheiser.com
  • Foto 18: Neumann & Müller
  • Artikel Walter Jumpelt: Lebende Sprachen Heft 1/1984
  • Artikel Normen: www.professional-system.de, Mai 2017
  • Artikel Kurz: EUT - Edizioni Università di Trieste,2003